Medizi­nische Kinder­schutz­leitlinie veröffentlicht

Die neue medizinische Kinderschutzleitlinie der höchsten Qualitätsstufe „AWMF-S3(+)-Leitlinie Kindesmisshandlung, -missbrauch, -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik“ wurde am 30.01.2019 auf einer Fachtagung in Bonn vorgestellt.

Wissenschaftler am Universitätsklinikum Bonn haben gemeinsam mit Fachleuten aus den Bereichen der Jugendhilfe und Pädagogik Handlungsempfehlungen für den Kinderschutz erarbeitet. An der Erstellung waren 82 medizinische Fachgesellschaften – darunter auch der BZÖG mit seinem 1. Vorsitzenden -, Organisationen der Jugendhilfe und der Pädagogik bis hin zu Regierungsinstitutionen beteiligt.

Die Kinderschutzleitlinie soll Fachkräften aus Medizin, Pädagogik und Jugendhilfe dabei helfen, bei Fällen von Kindeswohlgefährdung angemessen zu reagieren und zusammenzuarbeiten. Das diagnostische Vorgehen bei Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung wird strukturiert abgebildet. Die Zusammenarbeit zwischen den Versorgungsbereichen sowie der bestmögliche Zugang zu Hilfe- und Unterstützungsangeboten stehen besonders im Fokus.

Ein Kapitel widmet sich speziell der zahnärztlichen Untersuchung und der Verantwortung der Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Erkennung von Kindeswohlgefährdung. Dabei wird festgestellt, dass es keinen Grenzwert für die Anzahl kariöser Zähne und auch keine anderen spezifischen Erkrankungen des Mundes gibt, die zwangsläufig zu der Diagnose Vernachlässigung führen.

Zahnärztinnen und Zahnärzte haben die Aufgabe „1. Anzeichen von (dentaler) Vernachlässigung und anderer Formen der Misshandlung zu erkennen… und 2. Die Untersuchung der Mundgesundheit im Rahmen des diagnostischen Prozesses durchzuführen.“

Die in der Leitlinie formulierten Handlungsempfehlungen zu den zahnärztlichen Untersuchungen lauten:

  • „(Nr. 30) Zahnärzte_innen sollen bei Kindern oder Jugendlichen mit Karies vor der Verdachtsdiagnose (dentale) Vernachlässigung und nach Ausschluss von Differentialdiagnosen für Zahnhartsubstanzdefekte mehrere Faktoren mit dem Kind oder dem_der Jugendliche_n und den Personensorgeberechtigten / Bezugspersonen besprechen: Beeinträchtigung durch die Karies,Dauer und Ausprägung der Karies,Kenntnis und Bewusstsein der Personensorgeberechtigten / Bezugspersonen in Bezug auf Mundgesundheit,die Bereitschaft und Fähigkeit zur zahnärztlichen Behandlung der Kinder und Jugendlichen,Verfügbarkeiten der und Bereitschaft zur zahnärztlichen Versorgung.
  • (Nr. 31) Wurden Personensorgeberechtigte / Bezugspersonen über die Art und das Ausmaß der (kariösen) Erkrankungen ihres Kindes, den Nutzen einer Behandlung, die spezifischen Behandlungsoptionen und den Zugang zu diesen Behandlungsoptionen zur Abwendung von weiterführenden Schäden informiert und enthalten sie ihren Kindern eine indikationsgerechte zahnärztliche Behandlung und / oder erforderliche Unterstützung bei der Mundhygiene vor, ist dies ein gewichtiger Anhaltspunkt für eine Vernachlässigung.
  • (Nr. 32) Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung, -missbrauch und / oder -vernachlässigung sollten Zahnärzte_innen die strukturierte Diagnostik einleiten.“ Diese strukturierte Diagnostik ist gekennzeichnet durch multiprofessionelle Arbeit, strukturiertes und mehrstufiges Vorgehen, eine Beteiligung der Kinder und Jugendlichen und auch der Sorgeberechtigten, die entsprechende Dokumentation und die Beteiligung der Jugendhilfe.
  • „(Nr. 33) Zahnärzte_innen sollen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nach dem Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz vorgehen.
  • (Nr. 34) Jede orale Verletzung sollte genau dokumentiert werden. Liegt kein akzidentielles Trauma oder eine zweifelhafte Anamnese vor, sollte dem Verdacht auf eine körperliche Misshandlung als Ursache nachgegangen werden. Ärzte_innen und Zahnärzte_innen sollten bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung die strukturierte medizinische Diagnostik einleiten und nach dem Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz vorgehen.“ Das beinhaltet auch das Recht, eine insoweit erfahrene Fachkraft Kinderschutz einzubeziehen.

Zahnärztinnen und Zahnärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst sehen im Rahmen ihrer Untersuchungen eine Vielzahl Kinder und Jugendliche. Sie spielen deshalb eine wichtige Rolle im Kinderschutz. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Konzepte des Monitoring Kinderschutz auf den jährlichen Kongressen oder in der Verbandszeitschrift vorgestellt (z. B. Kongress 2013 in Berlin, 2014 in Magdeburg, Zahnärztlicher Gesundheitsdienst 01/2014). In diesem Jahr zum Kongress in Kassel wird Herr Dr. Schilke zu den zahnärztlich relevanten Aspekten der neuen AWMF 53 (+) Kinderschutzleitlinie sprechen.

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