Preisträger des Wrigley Prophylaxe Preis 2020
Die Preisträger: (oben v. l. n. r.) Prof. Dr. Ali Al-Ahmad (1.Platz, Freiburg), Dr. Caroline Sekundo (2. Platz, Heidelberg), Prof. Dr. Hüsamettin Günay und Dr. Karen Meyer-Wübbold (Sonderpreis, Hannover); Sponsor: (rechts oben) Nina Wenzl, Wrigley Oral Healthcare Program, Mars GmbH;
Die Jury: (unten v. l. n. r.) Prof. Dr. Thomas Attin (Zürich), Prof. Dr. Werner Geurtsen (Hannover), Prof. Dr. Rainer Haak (Leipzig), Prof. Dr. Christian Hannig (Dresden), Andreas Herforth (Hamburg), Prof. em. Dr. Joachim Klimek (Gießen), Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel (Bern)
Der mit insgesamt 10.000 Euro dotierte Wrigley Prophylaxe Preis wurde am 27.11.2020 zum 26sten Mal –dieses Mal online – verliehen. Den ersten Preis gewann eine Arbeitsgruppe um Professor Ali Al-Ahmad vom Universitätsklinikum Freiburg. Die Wissenschaftler untersuchten erstmals in vivo, wie unterschiedliche Nahrungsbestandteile die mikrobielle Balance im oralen Biofilm beeinflussen. Danach können gezielte Ernährungsempfehlungen zur Kariesprävention effektiv sein.
Welche Wechselwirkungen zwischen Ernährung und oralem Biofilm in vivo tatsächlich stattfinden, wurde im lebenden Organismus bislang kaum untersucht. In dieser Studie durchliefen elf gesunde Probanden fünf dreimonatige Phasen mit jeweils unterschiedlichem Ernährungsschwerpunkt: In Phase 1 behielten sie ihre normale Ernährung bei, in Phase 2 konsumierten sie zusätzlich häufig Kandiszucker, in Phase 3 Milch und Joghurt, in Phase 4 faserreichen Gemüsebrei und in Phase 5 kehrten sie zu ihrer normalen Ernährung zurück. Die normale Ernährung enthielt 140-280 Gramm Kohlenhydrate pro Tag und wurde von den Probanden entsprechend den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts jeweils in einem Ernährungstagebuch festgehalten. In jeder Phase trugen die Probanden 3 x 7 Tage intraorale Schienen mit bovinen Schmelzproben zur Gewinnung von Biofilmproben, die mikrobiologisch mithilfe von Hochdurchsatz-Sequenzierung-Methoden analysiert wurden.
Klares Ergebnis: Die Bakterien im Biofilm reagierten eindeutig und nachhaltig auf das unterschiedliche Nahrungsangebot der verschiedenen Phasen. Besonders interessierte es die Wissenschaftler, wie sich die Ernährung auf das Wachstum oraler Streptokokken auswirkte, vor allem der kariesfördernden Non-mutans-Spezies. Der Anteil an Streptokokken lag in Phase 1 bei 34 Prozent, stieg bei zuckerreicher Ernährung auf 40 Prozent und lag damit deutlich über dem Anteil von 24 Prozent der Phasen 3 und 4, in denen die Probanden viel Milch und Joghurt bzw. Gemüse konsumierten. In Phase 5 stieg der Streptokokken-Anteil auf 29 Prozent und bewegte sich damit wieder in Richtung des Ausgangswertes in Phase 1.
Die Daten bestätigen, dass zuckerreiche Ernährung das Wachstum kariogener Bakterien im supragingivalen Biofilm fördert, während Milch, Joghurt und faserreiches Gemüse zu einer signifikanten Abnahme dieser Bakterien und auch einem glatteren Zahnschmelz führten. Die Veränderungen hielten auch an, nachdem die Probanden wieder zu ihrer Ausgangsernährung zurückgekehrt waren. Die Autoren schlussfolgern, dass die supragingivale Biofilm-Zusammensetzung durch Ernährung modulierbar ist und empfehlen daher mehr Milch, Joghurt und Gemüse zur Kariesprävention.
Den zweiten Platz belegten Dr. Caroline Sekundo und ihr Team vom Universitätsklinikum Heidelberg, deren Pilotstudie erstmals Einblicke in die Mundgesundheit Hundertjähriger und Hochbetagter gibt. In Deutschland gibt es immer mehr Hochbetagte: 2018 waren 14.000 Menschen älter als 100 Jahre und Prognosen zufolge wird sich diese Zahl bis 2038 vervierfachen. Vor diesem Hintergrund befasst sich die Wissenschaft zunehmend mit Fragen der Langlebigkeit, insbesondere mit dem Gesundheitszustand der Hundertjährigen. Zahnmedizinische Aspekte wurden dabei bislang jedoch kaum berücksichtigt. Die mit dem zweiten Preis ausgezeichnete und mit 3.000 Euro dotierte Pionierarbeit hat dies nun geändert: Dr. Caroline Sekundo und ihre Kolleginnen Prof. Dr. Cornelia Frese und Eva Langowski sowie Prof. Dr. Andreas Zenthöfer vom Universitätsklinikum Heidelberg haben die Mundgesundheit von Hundertjährigen und Hochbetagen erstmals umfassend unter-sucht.
Für ihre klinische Querschnittsstudie besuchten sie 55 Senioren im Alter von 100 Jahren oder älter zu Hause und sammelten Daten u.a. zu Zahnpflege-Gewohnheiten, zur zahnärztlichen Betreuung und mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität. Zudem erhoben die Autoren einen vollständigen zahnmedizinischen Befund. Die Ergebnisse wurden mit den Daten jüngerer Senioren (75-100 Jahre) aus der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) verglichen. Das Ergebnis: Nur 36 Prozent der Hundertjährigen waren zahnlos. Die meisten hatten noch eigene Zähne und waren unterschiedlich prothetisch versorgt. Im Vergleich zu jüngeren Senioren hatten Hundertjährige jedoch weniger eigene Zähne und häufiger Karies. Zudem war der Sanierungsgrad geringer und die Prävalenz von Wurzelkaries doppelt so hoch wie bei jüngeren Senioren. Die zahnmedizinische funktionelle Kapazität war gering: Bei 64 Prozent der Hundertjährigen waren Zahnschäden schlecht oder nicht therapierbar, und die Fähigkeit zur Mundhygiene war bei 44 Prozent stark eingeschränkt. Dennoch war die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität erfreulich hoch: Über Einschränkungen klagten die Hundertjährigen vor allem beim Kauen fester Nahrung und der damit verbundenen limitierten Auswahl an Nahrungsmitteln. „Insgesamt zeigt unsere Pilotstudie eine Verschlechterung der Mundgesundheit in sehr hohem Alter, die sich aufgrund der geringen Belastbarkeit zu diesem Zeitpunkt dann kaum noch verbessern lässt“, fasst Dr. Sekundo die Ergebnisse zusammen. „Deshalb sollten Präventivmaßnahmen viel früher ansetzen, um die Mundgesundheit und damit Lebensqualität möglichst lange zu erhalten.“
Den zusätzlich mit 2.000 Euro dotierten Sonderpreis „Niedergelassene Praxis und gesellschaftliches Engagement“ errangen Professor Hüsamettin Günay und Dr. Karen Meyer-Wübbold von der Medizinischen Hochschule Hannover für ihr originelles Pilotprojekt, das Senioren eine spielerische Zahnputzkontrolle mittels App oder Abakus nahelegt. Vielen Patienten scheint es schwer zu fallen, bei ihrer täglichen Zahn- und Mundhygiene eine Systematik umzusetzen. Apps können sie dabei unterstützen. Bislang auf dem Markt erhältliche Produkte richten sich jedoch vor allem an Kinder. Zudem nutzen ältere Personen neue Technologien oft ungern, weil ihnen das Verständnis oder der Zugang dazu fehlt.
Ziel des Projekts war zu evaluieren, ob sich eine App oder ein Abakus eignet, Senioren dabei zu unterstützen, die Zahnputzsystematik „KIAZZPlus“ umzusetzen und gleichzeitig ihre Mundhygiene selbst zu kontrollieren. Für die Studie wurden 16 Teilnehmer gebeten, ihrer häusliche Mundhygiene in drei Phasen à drei Wochen zu dokumentieren: In Phase 1 erfolgte die Dokumentation via App, in Phase 2 wurde die App mit mehr Funktionen ausgestattet, in Phase 3 verwendeten die Teilnehmer einen Abakus. Das Ergebnis: Die zu Beginn der Studie gemessenen Plaque-Index-Werte verbesserten sich durch jede Art der Mundhygiene-Dokumentation deutlich. Als besonders effektiv entpuppten sich die funktionsreiche App und der Abakus. Der Abakus als plastisch-anschauliches Hilfsmittel förderte die Selbstkontrolle, gleichzeitig wurden Motorik und Sensorik beansprucht. „Dies schien die Teilnehmer mehr zu motivieren und zu disziplinieren als die reine Dokumentation per App oder Mundhygieneprotokolle“, stellen die Autoren fest, „wobei unser Pilotprojekt in erster Linie zeigt, dass die Integration einer Selbstkontrolle in ein zahnmedizinisches Präventionskonzept Erfolg versprechend ist – ob nun per App, Protokoll oder Abakus“.
2021 entscheidet die Jury in etwas anderer Zusammensetzung, welche eingereichten Arbeiten für den Wrigley Prophylaxe Preis prämiert werden. Der DGZ-Präsident Prof. Christian Hannig verlässt die Runde und blickt gerne auf die spannende Aufgabe als Jurymitglied zurück: „Besonders beeindruckend war zu sehen, mit wie viel Forscherdrang und Ideenreichtum sich Wissenschaftler und Zahnärzte für eine bessere Mundgesundheit von Risikogruppen engagieren. Der Prophylaxe Preis ist eine großartige Initiative, die dieses Engagement unterstützt.“ Nachfolgerin von Prof. Hannig ist Prof. Annette Wiegand, Göttingen. Neuer DGZ-Präsident ist Prof. Rainer Haak, der bereits Mitglied der Jury ist.