Studie zu frühkindlicher Karies bei Kleinkindern im Land Brandenburg

Die Mundgesundheit von Kleinkindern im Alter von 0 bis 3 Jahren war Inhalt einer Studie im Land Brandenburg. Die Autoren (Dr. Gudrun Rojas, Martin Deichsel, Karin Lüdeke, Prof. Dr. Roswitha Heinrich-Weltzien) untersuchten mit multivariaten Analyseverfahren einen möglichen Zusammenhang zwischen der Prävalenz der frühkindlichen Karies und Risikofaktoren:


Frühkindliche Karies bei Kleinkindern im Land Brandenburg - eine landesweite Studie zur Epidemiologie und zu Risikofaktoren

Die kritische Sicht auf die Mundgesundheit von Kleinkindern im Alter von 0 bis 3 Jahren hat das Universitätsklinikum Jena veranlasst, die ersten landesweiten zahnärztlichen Untersuchungen dieser Kinder in Kindereinrichtungen des Landes Brandenburg im Rahmen eines Kooperationsprojektes wissenschaftlich zu begleiten.

Im Ergebnis des Projektes liegen erstmals Daten für die Altersgruppe der 13 bis 36 Monate alten Kinder zur Prävalenz der frühkindlichen Karies (Early Childhood Caries - ECC) und ihrer Korrelation zum Gesundheitsverhalten und Sozialstatus der Eltern in einem Bundesland der Bundesrepublik Deutschland vor. Sie bestätigen bestehende Präventionsprogramme und geben Impulse für in Planung befindliche Programme. Weiterhin werden Risikofaktoren aufgedeckt, die zur Entstehung der frühkindlichen Karies beitragen. Eine ausführliche Darstellung der Studie wurde im Bundesgesundheitsblatt 2012, 55:1504-1511 veröffentlicht.

Hintergrund Studienergebnisse

Aus der Literatur ist bekannt, dass die ECC weltweit die häufigste chronische Erkrankung bei Kleinkindern ist mit Folgen wie Schmerzen, Keimschädigungen der nachfolgenden permanenten Zähne, oder als Resultat von Milchzahnextraktionen, ein Platzmangel im bleibenden Gebiss. Darüber hinaus ist die Infektanfälligkeit der Kinder erhöht und es kann zu Sprachstörungen, einem negativen Einfluss auf das schulische Leistungsvermögen und die soziale Kompetenz kommen. Eine umfangreiche Sanierung des Milchgebisses ist im Kleinkindalter in der Regel nur in Allgemeinanästhesie (Intubationsnarkose) möglich und mit einem hohen Kostenaufwand verbunden.

Untersuchung und Datenanalyse

Im Schuljahr 2009/2010 wurde der Kariesbefall von 661 Kindern aus 8 Landkreisen und 2 kreisfreien Städten, die in Kindertagesstätten (Kitas) und von Tagesmüttern/-vätern betreut wurden, nach WHO Standard (1997) durch kalibrierte Zahnärzte der Gesundheitsämter erfasst. Das Gesundheitsverhalten sowie der Sozialstatus der Eltern (Brandenburger Sozialindex) wurden fragebogenbasiert ermittelt. Es erfolgte eine anonymisierte Verknüpfung der Daten. Signifikante Variablen zum Zusammenhang zwischen dem Kariesbefall der Kinder und den Fragebogenvariablen wurden nach bivariater Auswertung mit einer multiplen binären logistischen Regressionsanalyse untersucht und erneut auf ihre Signifikanz geprüft.

Mundgesundheit der 13 bis 36 alten Monate Kinder

Die Kariesprävalenz lag in der Stichprobe der 13 bis 36 Monate alten Kinder auf Schmelzkaries-(d1-4)-Niveau bei 7,4% und auf Dentinkaries-(d3-4)-Niveau bei 5,3%, wobei 25 bis 36 Monate alte Kinder signifikant häufiger Karies aufwiesen als Kinder im Alter von13 bis 24 Monaten. Der Kariesbefall betrug 0,3 (± 1,2) d1-4mft bzw. 0,2 (± 1,0) d3-4mft. Da keine signifikanten Unterschiede von Kariesprävalenz, Kariesbefall sowie Alters- und Geschlechtsverteilung in der Stichprobe mit Elternbefragung (n=661) und der Gesamtpopulation aller Kinder in den 10 Landkreisen/kreisfreien Städten (n=10.161) festgestellt wurden, ist die Stichprobe repräsentativ. Der SiC-Index lag bei 0,8 (± 2,0) d1-4mft. 2% der Kinder vereinten 52% des Kariesbefalls auf sich. Der Sanierungsgrad betrug 19,9% und der Füllungsindex 10%.

Die Auswertung der bivariaten Analyse ergab, dass Kinder mit Karies signifikant länger die Saugerflasche verabreicht bekamen und öfter nächtlichen Zugang zur Flasche hatten. Die Eltern waren häufiger jünger als 20 Jahre alt und hatten signifikant häufiger einen niedrigen Sozialstatus. Die Kinder wuchsen vielfach mit allein erziehenden Elternteilen auf, waren größtenteils nach dem 2. Lebensjahr erstmalig beim Zahnarzt und erhielten dort oft keine Aufklärung zur frühkindlichen Karies.

Die multivariate logistische Regressionsanalyse zeigte, dass der Sozialstatus, das Alter des Kindes und die nächtliche Saugerflaschengabe die Hauptrisikofaktoren der ECC sind.

Fazit und Empfehlungen

Die Ergebnisse machen deutlich, dass Präventionsprogramme zur Reduktion der frühkindlichen Karies so früh wie möglich beginnen, flächendeckend aufgebaut und intersektoral ausgerichtet sein sollten, um die gesundheitliche Benachteiligung von Kindern mit niedrigem Sozialstatus zu kompensieren. Eine Kooperation aller, die das gesunde Aufwachsen von Kleinkindern begleiten, ist bedeutsam. Eltern, Gynäkologen, Kinderärzte, Familienhebammen und Familienpaten, Zahnärztliche Dienste der Gesundheitsämter, Zahnärzte, Erzieher und Kita-Träger bilden hierbei ein Netzwerk. Eine individuelle zahnärztliche Beratung und Aufklärung der Eltern sowie eine Anhebung des Sanierungsgrades der an frühkindlicher Karies erkrankten Kinder sind ebenfalls erforderlich.

In die settingorientierte gruppenprophylaktische Betreuung gem. § 21 SGB V sind Kleinkinder ab dem ersten Milchzahn einzubeziehen. Das tägliche Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta sollte dabei für alle Kinder ebenso ein Bestandteil der Betreuungskonzepte sein, wie lokale Fluoridierungsmaßnahmen für Kinder der Kariesrisikogruppe. Die nachhaltige Schaffung eines mundgesundheitsförderlichen Umfelds in Kindertagestätten kann gelingen, wie das Präventionsprogramm „Kita mit Biss“ zeigt. Die Förderung der Mundgesundheit und Vermeidung der frühkindlichen Karies sind die Zielrichtungen dieses intersektoralen Präventionsprogramms, in dem mit Erzieherinnen Handlungsleitlinien für den Kita-Alltag entwickelt wurden, die sich in der Praxis bewähren. Flyer, die bei der Elternarbeit und Einführung des Programms in anderen Regionen des Landes Brandenburg und darüber hinaus eingesetzt werden, sind unter www.brandenburger-kinderzaehne.de nachlesbar und werden Interessenten gern zur Verfügung gestellt.

Quelle: Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit 



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