Mundgesundheit für die werdende Mutter und das Kind

Gesund beginnt im Mund – von Anfang an!

 

Schwangerschaftsgingivitis

Häufig berichten Schwangere über empfindliches, geschwollenes oder blutendes Zahnfleisch. Für die Prävalenz einer Zahnfleischentzündung werden in der Literatur Werte zwischen 30 und 100 Prozent angegeben [Silva de Araujo Figueiredo et al., 2017]. Verantwortlich für die Ausbildung einer Schwangerschaftsgingivitis ist die hormonelle Umstellung in der Schwangerschaft, die Veränderungen in der Zusammensetzung der bakteriellen Zahnbeläge sowie eine Erhöhung der Durchlässigkeit von Blutgefäßen zur Folge hat [Mariotti, 2005; Lindhe et al., 1967]. Deshalb reagiert das Zahnfleisch auf mechanische Reize wie Essen oder Zähneputzen empfindlicher und blutet leichter.

Zudem kann das Weichgewebe ödematös aufgelockert werden. Eine Volumenzunahme des Zahnfleisches begünstigt die Ausbildung sogenannter „Pseudotaschen“.

Eine Schwangerschaftsgingivitis tritt häufig gegen Ende des ersten Trimenons auf und ist im achten Schwangerschaftsmonat am stärksten ausgeprägt. Kurz nach der Entbindung – und der Normalisierung des Hormonhaushalts – bildet sie sich in der Regel zurück. Bei einem Fortschreiten der Gingivitis kann die Entzündung jedoch auf das Parodontium übergreifen und zu einer irreversiblen Parodontitis führen.

Schwangere mit einer Parodontitis scheinen ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt, eine Geburt mit geringem Geburtsgewicht und eine Präeklampsie zu haben. Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, dass eine bestehende Parodontitis das Risiko für einen Gestationsdiabetes erhöht [Abariga et Whitcomb, 2016]. Jedoch ist die aktuelle Datenlage hierfür nicht eindeutig, sodass es sich bislang um Hinweise auf Wechselwirkungen handelt, die einer weiteren wissenschaftlichen Fundierung bedürfen. Idealerweise wird eine Parodontitis bereits bei einem bestehenden Kinderwunsch erkannt und zahnärztlich behandelt. Bei einer bestehenden Schwangerschaft gilt vor allem das zweite Trimenon als sicherster Zeitpunkt für eine Parodontitisbehandlung.

Karies

Während einer Schwangerschaft nehmen sowohl die Speichelpufferkapazität als auch der Kalzium- und Phosphatgehalt ab, wodurch das Remineralisationspotenzial des Speichels reduziert wird [Laine, 2002; Salvolini et al., 1998]. Zudem kommt es gegen Ende der Schwangerschaft zu einer Absenkung des pH-Werts des Speichels und zu einer erhöhten Konzentra­tion des kariesauslösenden Leitkeims Streptococcus mutans. Als Folge dieser Veränderung steigt das Kariesrisiko der werdenden Mutter, worauf in der frauenärztlichen Beratung hingewiesen werden sollte [Laine, 2002; Laine et al., 1986].

Erosionen

Schwangere können von Erosionen vermehrt betroffen sein. So kann der frequente, direkte Kontakt der Zahnoberflächen mit aggressiver Magensäure im Rahmen einer Emesis gravidarum oder eines Reflux Erosio­nen begünstigen.

Mundhygiene in der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft ist eine regelmäßig gründlich durchgeführte häusliche Mundpflege besonders wichtig. Beläge auf Zahnoberflächen beherbergen potenziell pathogene Mikroorganismen, die eine Gefahr für Zahnfleisch und Zahnhartsubstanz darstellen. Daher gilt es, diese im Rahmen der täglichen Zahnpflegeroutine möglichst vollständig zu entfernen. Neben der Reinigung der Zahnflächen spielt die Reinigung der Zahnzwischenräume mit Interdentalbürsten oder Zahnseide eine wichtige Rolle. Langzeituntersuchungen zeigen, dass Hilfsmittel zur Interdentalreinigung zur Prävention einer Gingivitis beitragen können [Holtfreter et al., 2024].

Patientinnen, die unter Schwangerschaftsübelkeit oder an einem Reflux leiden, sollten möglichst nicht sofort zur Zahnbürste greifen, sondern idealerweise eine halbe Stunde bis zum Zähneputzen vergehen lassen. Zudem bieten sich bei Übelkeit oder Würgereiz beim Zähneputzen elektrische Zahnbürsten mit einem kleinen runden Kopf sowie milde, geschmacksneutrale Zahnpasten an. Aufgrund des erhöhten Karies- und Erosionsrisikos der werdenden Mutter sollte während der Schwangerschaft nicht auf eine regelmäßige lokale Fluoridierung der Zähne verzichtet werden. Gegen die Anwendung von Fluoriden in der Schwangerschaft im Rahmen der Kariespräven­tion bestehen nach derzeitigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand keine Bedenken. In hoher Konzentration wirkt die Plazenta als Barriere; so besteht keine Gefahr einer intrauterinen Fluorose der Milchzähne.

Zur Gesunderhaltung von Zähnen und Zahnfleisch sollte die häusliche Mundhygiene durch die regelmäßige Betreuung in der Hauszahnarztpraxis ergänzt werden.

Mundgesund von Anfang an

Spätestens mit den ersten Zähnen, um den sechsten Lebensmonat, rücken Mundgesundheit und Zahnpflege des Nachwuchses in den Fokus. Das Neugeborene muss an eine tägliche Mund- und später Zahnreinigung gewöhnt werden. Brechen die ersten Milchzähne durch, müssen diese geputzt werden. Die Untersuchung des kleinen Kindes und Mundhygieneübungen können in der Zahnarztpraxis durchgeführt werden.

Ernährung in den ersten Lebensjahren

Das Stillen des Neugeborenen in den ersten Lebensmonaten hat vielfache positive Effekte für Mutter und Kind. Grundsätzlich wird das kariogene Potenzial von Muttermilch als niedrig bewertet. Zudem kann der bakterizide Wirkmechanismus von in Muttermilch enthaltenen Enzymen und Immunglobulinen das Wachstum kariesfördernder Mikroorganismen wie Streptococcus mutans in der Mundhöhle hemmen. Im Vergleich zu nichtgestillten Altersgenossen weisen gestillte Säuglinge ein niedrigeres Risiko für eine frühkindliche Karies auf [Olatosi et Sote, 2014]. Darüber hinaus fördert der Saugvorgang an der Brust die optimale Entwicklung des kraniofazialen Wachstums; das Stillen wirkt so Fehlentwicklungen der Kiefer und Zahnfehlstellungen vor.

Das Stillen über das erste Lebensjahr hinaus kann möglicherweise die Entstehung einer frühkindlichen Karies begünstigen. Allerdings sind die Zusammenhänge bislang nicht abschließend geklärt und deuten auf weiteren Forschungsbedarf hin.

Mit der Einführung von Beikost rückt zunehmend die gesunde Ernährung des Nachwuchses in den Vordergrund. Zucker sollte sparsam angeboten werden, da dieser die Bildung eines kariogenen Biofilms auf den Zähnen und von kariogenen Säuren durch Kariesbakterien begünstigt. Neben der Menge spielt vor allem die Frequenz der Einnahme zuckerhaltiger Speisen und Getränke eine zentrale Rolle für die Kariesentstehung. Eine bewusste, zuckerreduzierte Ernährung und ein maßvolles Angebot zuckerhaltiger Speisen und Getränke sind zur Prävention einer frühkindlichen Karies entscheidend.

Fazit

Es gibt also eine Vielzahl von Beratungsinhalten, die sowohl in der Zahnarztpraxis als auch von Gynäkologinnen und Gynäkologen Frauen und jungen Eltern von Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit für deren Zahngesundheit und die der kleinen Kinder vermittelt werden können. Hier sollten die vier Ansatzpunkte Aufklärung, Ernährungslenkung, Zahnpflege und Fluoridnutzung genutzt werden, weil

  • durch die hormonellen Umstellungen eine Schwangerschaftsgingivitis (Zahnfleischentzündung) begünstigt wird,

  • es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Erkrankungen oder Entzündungen des Zahnfleisches und Frühgeburten gibt,

  • das Stillen des Neugeborenen die Entwicklung von Zähnen, Kiefer, Kiefergelenken und Mundmuskulatur ideal fördert,

  • in den vergangenen Jahren auch in Deutschland ein Anstieg der Zahl von Kindern mit früher Milchzahnkaries zu beobachten ist.

Eine sich ergänzende frauenärztliche und zahnmedizinische Schwangerenbetreuung kann die Mundgesundheit der werdenden Mutter positiv beeinflussen und dem Risiko von eventuellen Schwangerschaftskomplikationen entgegenwirken sowie positiv auf die Mundgesundheit des kleinen Kindes wirken.

Den vollständigen Bericht finden Sie unter www.zm-online.de

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