„Prävention hat keinen Schalter, den man einfach umlegt!"

Die EU-Politik könnte bei der Ernährung ansetzen

Großes Entlastungspotenzial für die nationalen Gesundheitssysteme schreibt die EU-Kommission dem Bereich Prävention zu. Aus diesem Grund habe Ursula von der Leyen Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi beauftragt, ein umfassendes Konzept für die lebenslange Gesundheitsförderung der Menschen in der EU zu entwickeln, sagte BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz in seiner Begrüßung. Die Gesundheitssysteme durch konsequente Prävention zu entlasten, hält Benz grundsätzlich für einen sinnvollen Ansatz.

Er merkte jedoch gleichzeitig an: „Prävention hat keinen Schalter, den man einfach umlegt und dann läuft alles. Im Gegenteil, dahinter steckt ein langwieriger Prozess, der sich über Jahrzehnte zieht.“ Die deutsche Zahnärzteschaft sei diesen Weg bereits gegangen und könne im präventiven Bereich messbare Erfolge vorweisen, unterstrich Benz mit Verweis auf die Ergebnisse der Sechsten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS • 6). „Unsere evidenzbasierte Expertise bringen wir gerne in die europäische Gesundheitspolitik ein“, bot er den Vertreterinnen und Vertretern der EU an.

Laut einer aktuellen Studie im Auftrag von Greenpeace entstehen dem deutschen Gesundheitssystem durch den hohen Zuckerkonsum jährliche Kosten von knapp zwölf Milliarden Euro. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Bereits im Jahr 2015 attestierte eine Untersuchung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Biotechnologieunternehmens Brain AG den Deutschen den Verzehr von zu viel Zucker, aber auch Salz und Fetten. Die Solidargemeinschaft koste das jährlich mehr als 16,8 Milliarden Euro, etwa für die Behandlung von Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Krebs. Ernährung spielt für die Gesundheit demnach eine entscheidende Rolle – hier könnten präventive Konzepte ansetzen.

Nicht nur die BZÄK fordert daher schon länger, dass die Politik hier aktiv wird. Zum Beispiel durch die Einführung einer verständlichen Lebensmittelkennzeichnung, die zuckerhaltigen Nahrungsbestandteile klar aufzeigt. Zudem sollten Lebensmittel für Kinder deutlich zuckerreduziert sein und Sonderabgaben für stark zucker- und/oder säurehaltige Softdrinks eingeführt werden. Bei der Podiumsdiskussion auf dem Europatag sagte BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler, dass eine Abgabe auf Zucker von den politischen Parteien in Deutschland sehr unterschiedlich gesehen würde. Ein Impuls aus der EU könne die Einführung entsprechender Regelungen eventuell beschleunigen.

Prof. Dr. Rainer Jordan, wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ), erinnerte daran, dass für stark zuckerhaltige Getränke in Großbritannien alleine die Ankündigung einer Abgabe auf Zucker schon ausgereicht habe, um die Hersteller zu einer deutlichen Reduktion des Zuckeranteils zu bewegen. „Ich glaube, ähnliche Maßnahmen könnten von der EU gut gesteuert werden“, betonte Jordan. Auch in der Tabak- und Alkoholprävention sieht er Möglichkeiten wie etwa Werbeverbote.

Darauf sagte Oliver Schenk (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments, dass er auf der einen Seite viel Sympathie für solche Vorschläge habe. „Auf der anderen Seite muss man sagen, dass die gesellschaftliche Situation zurzeit sehr angespannt ist. Viele Menschen sagen: 'Macht endlich Schluss mit diesem belehrenden Politikansatz und sagt uns nicht, was wir dürfen und was nicht!'“, so Schenk. Er würde daher eher auf Aufklärung setzen oder gesunde Ernährungsangebote in Kantinen, Schulen und Kindergärten fördern.

Zudem müsse man präventive Maßnahmen weiter erforschen. „Wir wissen darüber wahrscheinlich noch viel zu wenig. Insofern plädiere ich dafür, gemeinsam dafür zu sorgen, Krankheiten und wie sie entstehen zu erforschen und auch, wie man Prävention wirklich klug macht. Wie wir es jetzt diskutiert haben, bedeutet Prävention, den Leuten etwas zu verbieten oder zu empfehlen. Es gibt aber wahrscheinlich noch ganz andere Dinge“, meinte Schenk.

Er sei nicht der Auffassung, dass die großen lebensstilassoziierten Erkrankungen wie Diabetes oder Parodontitis noch intensiver erforscht werden müssten, entgegnete Jordan und warf die Frage auf, ob die individuelle Freiheit als Argument ausreiche, um nicht entschiedener gegen nachgewiesen gesundheitsschädliche Verhaltensweisen vorzugehen.

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