Verleihung des Wrigley Prophylaxe Preises 2024

Zukunftsweisende Initiativen für Risikogruppen im Fokus

Heute wurden in Leipzig die Gewinnerinnen und Gewinner des Wrigley Prophylaxe Preises 2024 bekannt gegeben. Die Jury prämierte ein Berliner Wissenschaftsprojekt und zwei Initiativen aus Münster und Kernen. Das Wissenschaftsprojekt liefert die Basis für telemedizinische Diagnosen mit intraoralen 3D Scans zur Optimierung der zahnmedizinischen Versorgung in Seniorenheimen. Die Münsteraner Initiative zeigt, wie Zahnärzt*innen Kindern mit vernachlässigter Mundgesundheit helfen können. In der Initiative aus Kernen wurden Mundpflegestandards entwickelt, die auf die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in einer Wohneinrichtung zugeschnitten sind.

Der Wrigley Prophylaxe Preis gehört zu den renommiertesten Auszeichnungen in der Zahnmedizin. Eine unabhängige Jury aus Wissenschaftler*innen und einer Vertretung aus dem Öffentlichen Gesundheitswesen bewertet Arbeiten aus Forschung und Praxis, die zur Verbesserung der Mundgesundheit beitragen. Seit der Gründung 1994 steht der Preis unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ). Stifterin ist die wissenschaftliche Initiative „Wrigley Oral Healthcare Program“. Hintergrund ist: Das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi nach Mahlzeiten bildet zusammen mit Zähneputzen und gesunder Ernährung die drei Kernempfehlungen der medizinischen Leitlinie zur Kariesprophylaxe, die jeder täglich eigenverantwortlich umsetzen kann.

 

  1. Platz Wissenschaft: Telemedizin mit 3D Scans statt Zahnarztbesuch

Immer mehr Menschen haben bis zum Lebensende eigene Zähne, die bis ins hohe Alter regelmäßig zahnärztlich versorgt werden müssen. Das wird schwierig, wenn Senior*innen pflegebedürftig werden und nicht mehr in die Zahnarztpraxis kommen. Ihre Mundgesundheit verschlechtert sich, Karies und Parodontitis kommen häufiger vor.

Die mit 4.500 Euro prämierte Studie von Dr. Basel Kharbot und seinem Team von der Charité, Berlin, zeigt, wie Senior*innen trotz Pflegebedürftigkeit mit Telemedizin und intraoralen 3D Scans regelmäßig zahnärztlich untersucht werden können. Dabei werden vor Ort 3D Scans der Mundhöhle erstellt und anschließend in den Zahnarztpraxen telemedizinisch ausgewertet. Die Vorteile: Pflegebedürftige können bei der Aufnahme der Scans in ihren Zimmern bleiben. Zudem kann geschultes Pflegepersonal die Scans erstellen, d. h. Zahnärzt*innen müssen dafür nicht unbedingt ins Heim kommen.

Die Bildqualität der Scans reicht aus, um den Zahnstatus telemedizinisch zu beurteilen. Bei der Auswertung der Scans von 43 Pflegebedürftigen waren fehlende und restaurierte Zähne sehr gut erkennbar. Bei der Diagnose von Zahnbelag und Karies waren die Scans weniger genau als bei einer Untersuchung in der Praxis, aber immer noch akzeptabel. Die Studienergebnisse zeigen, dass der Einsatz von Intraoralscannern in Seniorenheimen ein zukunftsweisender Weg sein könnte, um Mundkrankheiten frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu behandeln.

 

  1. Platz Praxis & Gesellschaft: Vernachlässigte Kinder, was tun?

Häusliche Gewalt hat viele Gesichter. Eines ist die Kindesvernachlässigung, zu der auch das „Dental Neglect“ gehört – darunter versteht man die Vernachlässigung der Mundgesundheit, die sich in Zahnschäden und Karies zeigt. In diesen Fällen sehen verantwortliche Bezugspersonen trotz zahnärztlicher Beratung nicht ein, dass eine Behandlung nötig ist und nehmen Termine nicht wahr.

Um diesen Kindern zu helfen, haben Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, Medizinische Fakultät der Universität Münster, und ihr Team die ebenfalls mit 4.500 Euro prämierte Initiative „Zahnärztinnen und Zahnärzte sehen mehr als Zähne!“ gegründet. Herzstück sind eigens entwickelte Schulungsmaterialien speziell für Studierende und praktizierende Zahnärzt*innen, um das fundierte Wissen zu vermitteln, damit betroffene Kinder besser identifiziert und die richtigen Schritte eingeleitet werden können.

Die Initiatorinnen streben außerdem an, das Thema häusliche Gewalt und „Dental Neglect“ in die Lehre des Zahnmedizinstudiums einzubinden. Zudem sind Trainingseinheiten mit Simulationspatient*innen geplant sowie die Entwicklung von Materialien für Zahnarztpraxen – z. B. Plakate, Flyer oder Ansteckbuttons für den Kittel, die Betroffenen signalisieren, dass sie das sensible Thema in dieser Praxis ansprechen können.

 

  1. Platz Praxis & Gesellschaft: Mundpflege für Menschen mit Behinderung

Viele Menschen mit Behinderungen brauchen Unterstützung bei der Mund- und Zahnpflege. Diese muss auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sein – und das ist angesichts der vielen unterschiedlichen Behinderungen eine Herausforderung. Zum Beispiel brauchen Menschen mit Schluckstörungen eine andere Hilfestellung beim Zähneputzen als Personen mit autistischen Störungen.

Die mit 3.000 Euro prämierte Initiative von Dr. Guido Elsäßer aus Kernen im Remstal und seiner Arbeitsgruppe hat in einer großen Einrichtung der Eingliederungshilfe mit mehr als 1.500 Bewohner*innen interne Mundpflegestandards entwickelt. Sie basieren auf dem offiziellen „Expertenstandard in der Pflege zur Förderung der Mundgesundheit“, berücksichtigen aber die Besonderheiten einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Flankierend erarbeitete die Gruppe eine neue Schulungsstrategie mit hohem Praxisanteil, Arbeits- und Umsetzungshilfen, etwa Aufklärungsbögen in Leichter Sprache oder eine Checkliste für den Umgang mit abwehrendem Verhalten beim täglichen Zähneputzen. Das Konzept kann auch auf andere Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung übertragen werden.

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