Wie Zähne unser Leben beeinflussen
Gesundes Gebiss, gesunder Körper
Sophia Schneider geht immer an ihr Limit. Die 27-Jährige ist Profibiathletin und seit 2024 im A-Kader der deutschen Nationalmannschaft. Ihr Höhepunkt der Karriere bis dato: der Weltcup-Sieg 2024 mit der Staffel. Die Leistungssportlerin will aber mehr: "Dieses Jahr steht Olympia in Antholz an. Dort dabei zu sein, wäre ein Riesenziel. Aber dafür muss man sich natürlich erstmal qualifizieren."
Doch seit dem letzten Jahr leidet Schneider unter immer wiederkehrenden Verspannungen im Nacken-, Schulter- und Armbereich, die ihre Leistung beeinträchtigen. Sie hat das Gefühl, ihrem Körper nicht mehr zu hundert Prozent vert
Und hier kommen Schneiders Zähne ins Spiel: Die Biathletin wendet sich an Siegfried Marquardt, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin. Der Zahnarzt findet zusammen mit Schneiders Orthopäden die Ursache schnell: ein Kreuzbiss. Und der ist "tatsächlich mitverantwortlich für all die Probleme, die sich dann unterhalb des Kopfes abgespielt haben", erklärt der Zahnarzt.
Denn im Körper gibt es von Kopf bis Fuß sieben Rotationszentren, und das Kiefergelenk ist eines davon. Der Mediziner erklärt diesen Aufbau mit einem Beispiel: "Wenn ich eine Perlenkette mit sieben Perlen nehme und ich stoße eine an, dann werden die anderen alle in Bewegung gebracht. Das heißt, alles hängt miteinander zusammen."
Beim Kauen sind das Kiefergelenk und die Zähne enormem Druck ausgesetzt, besonders bei Stress. Wenn also die Zahnstellung nicht ideal ist, werden die Kräfte beim Zubeißen ungleichmäßig verteilt. Die Kiefermuskulatur versucht das wiederum auszugleichen. Die Folgen: Muskelverspannungen. Bei Sophia Schneider hat das zu einer Blockade der Halswirbelsäule und daraus resultierenden Problemen im Becken-, Bein- und Fußbereich geführt.
Und genau das kann ihre Leistungen im Sport beeinflussen. Die Lösung: eine sogenannte Aligner-Schiene, die ihre Zähne über Monate in die richtige Position bringen soll. In stressigen Phasen beim Training oder Wettkampf soll ihr dann zudem eine Performance-Schiene helfen. Die soll ihre Kieferstellung optimieren, um die Muskulatur gleichmäßig zu belasten.
Das Ergebnis: Schneiders Verspannungen gehen deutlich zurück. Die Biathletin fühlt sich stabiler, und ihre Haltung wirkt gerader. In Tests mit und ohne Schiene wird auch sichtbar, wie sich ihre Laufleistung mit Schiene verbessert. Und dieser Unterschied könnte beim nächsten Turnier ausschlaggebend sein: "Es wäre natürlich ein Riesentraum, bei Olympia dabei zu sein. Es wird nicht einfach - aber vielleicht komme ich mit den Schienen dem ja ein Stück näher", hofft Schneider.
Aktuell seien die Reaktionen der Studienlandschaft auf solche Schienen aber sehr gemischt, sagt Professorin Anne Wolowski für prothetische Zahnmedizin an der Universität Münster. "Es gibt vielversprechende Einzelfallberichte, dass es hier offensichtlich zu einer positiven Einflussnahme kommt. Aber es gibt genauso Studien, die keine Effekte zeigten."
Die Schiene sei, laut Sportzahnarzt Marquardt, "ein kleiner Mosaikstein, aber es gibt noch andere Mosaiksteine, die wir jetzt zusammenfügen müssen", um Schneiders Leistungsfähigkeit weiter zu erhöhen. Die Sportlerin ist überzeugt: "Zwischen den Top-Ten-Biathletinnen gibt es nur ganz, ganz kleine Leistungsunterschiede, würde ich behaupten. Es sind dann Mys, die da unterscheiden." In diesem Fall möglicherweise ein korrigierter Kreuzbiss.
Zahnhygiene ist aber nicht nur wichtig für die Leistung und die äußere Erscheinung. Erkrankungen der Mundhöhle wie Karies und Parodontitis können auch die Organe und das Immunsystem nachhaltig schädigen. Sie können Herzinfarkte oder Schlaganfälle, Rheuma, chronische Atemwegsinfekte und Diabetes begünstigen oder in Wechselwirkung mit diesen Erkrankungen stehen.
Zahnbetterkrankungen können zudem auch gefährlich in der Schwangerschaft werden, da bei Schwangeren durch hormonelle Veränderungen Entzündungen im Mund verstärkt werden können. Diese Entzündungen wiederum können das Risiko für eine Frühgeburt erhöhen. Laut der Bundeszahnärztekammer konnte eine schwedische Studie nachweisen, dass Menschen mit Parodontitis ein 49 Prozent höheres Risiko haben, in den nächsten sechs Jahren an Krebs zu erkranken, als Personen ohne Entzündung im Mund.
Bei Parodontitis, also einer Entzündung am Zahnfleisch, sammeln sich in Taschen zwischen Zahn und Zahnfleisch Bakterien, die dann per Blutbahn zu den einzelnen Organen wandern können. Das sei in Deutschland immer noch eine recht weitverbreitete Krankheit, sagt Zahnmedizinerin Anne Wolowski mit Verweis auf die Deutsche Mundgesundheitsstudie. Bei den Jüngeren beträfe es "etwa 20 Prozent und bei den Senioren im Alter zwischen 65 und 74 Jahren, liegt der Anteil bei 50 Prozent".
Parodontitis kann neben mangelnder Zahnhygiene vor allem durch falsche Ernährung entstehen, die die Zähne schädigt - das hat etwa eine Studie des Universitätsklinikums Freiburg gezeigt. Besonders fordernd für das Gebiss: Zucker - ob als Süßigkeit, in Getränken oder im Essen. Der Zucker wird von Bakterien im Mund in Zuckersäure umgewandelt. Diese Säure demineralisiert den Zahnschmelz und greift ihn an. Das kann dann zu Karies und zu Parodontitis führen. Damit das nicht passiert, empfehlen Expertinnen und Experten vor allem diese drei Punkte: Richtig und ausgiebig die Zähne putzen, sich gut und ausgewogen ernähren und nicht rauchen.
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