2024 Kongress in Hamburg

Der Öffent­liche Gesund­heits­dienst – Rücken­wind für die Gesund­heit

Der 73. Wissenschaftliche Kongress der Verbände des ÖGD fand vom 24. bis 27. April 2024 in Hamburg statt. „Der Öffentliche Gesundheitsdienst – Rückenwind für Gesundheit!“ lautete das Motto. Mit dem Pakt für den ÖGD erhielt der Öffentliche Gesundheitsdienst einen kraftvollen Schub für den personellen Ausbau und die Digitalisierung, 1200 Gäste davon 100 Zahnärztinnen und Zahnärzte waren ein Zeichen, dass es jetzt mehr Personal in den Gesundheitsämtern gibt. Allerdings ist noch unklar, wie lange der „Rückenwind“ über den Förderzeitraum (Ende 2026) hinaus noch weht. Umso verständlicher ist der Aufruf der 1. Vorsitzenden des BZÖG, Dr. Ilka Gottstein, zur Verstetigung der Förderung bei der Eröffnung des Kongresses.

Traditionell begann das zahnärztliche Programm mit der Vorstellung der Strukturen und Gegebenheiten im gastgebenden Bundesland. Van de Flierdt machte wieder einmal deutlich, wie sehr sich doch gesetzliche Grundlagen für Gesundheit und Bildung in den Bundesländern unterscheiden. Aktuell hoffen die Zahnärztlichen Dienste in Hamburg mit der Novellierung des Kinderbetreuungsgesetzes (KibeG) auf bessere Regelungen zum Zähneputzen in der Kita und höhere Wertigkeit der zahnärztlichen Untersuchung der Kita-Kinder. Derzeit ist nur eine handschriftliche Erfassung des Gebisszustandes möglich, die maximal drei Jahre aufbewahrt werden darf. Somit liegen zur Untersuchung in der Schule keine Untersuchungsdaten vor. Ein großer Wunsch für Hamburgs Kinder ist außerdem beim Ausbau der Ganztagsbetreuung das Zähneputzen in der Schule zu ermöglichen.

Auf mehr Daten, ja einen ganzen Datenschatz, kann das Land Brandenburg zurückgreifen. 30 Jahre Gruppenprophylaxe können in Daten und Fakten abgerufen werden. Darüber berichteten Gundermann und Hinkelmann.

2022/23 war das erste Schuljahr nach Corona mit genügend Untersuchungszahlen und wir alle haben gespannt auf Auswertungen gewartet. Wie hatten sich die Einschränkungen im Rahmen der Pandemiemaßnahmen auf die Zahngesundheit ausgewirkt? Schiffner, der die ersten Ergebnisse aus einigen Bundesländern und Zahnärztlichen Diensten auswerten konnte, konstatierte dass die Prävalenz der Milchzahnkaries und der dmf(t) mit den Zahlen vor-Corona vergleichbar seien. Interessant wäre jedoch eine tiefergehende Betrachtung der Kariesrisikokinder. Für Frankfurt /Main stellte Füllkrug fest, dass 3- bis 6-Jährige gesündere Zähne als vor der Pandemie hatten aber bei den 9- bis 13-Jährigen eine Verschlechterung eintrat. Jugendliche über 14 Jahre wiederum hatten mit vor-Corona vergleichbare Werte. Adolphi wertete in einem Poster die Werte von Kita-Kindern aus dem Main-Kinzig-Kreis aus und stellte fest, dass die Anzahl der Kinder mit naturgesundem Zahnstatus im Vergleich zu der Zeit vor Corona gleich geblieben war, die Anzahl der Kinder mit Behandlungsbedarf jedoch gestiegen und die Anzahl derer mit saniertem Zahnstatus gesunken war.

Wie es möglich ist, zu vergleichbaren Auswertungen zu kommen, referierten in zwei Vorträgen Kluba und Jahn aus Niedersachsen. Grundlage für eine gute Datengrundlage sind ein einheitlicher Dokumentationsbogen für Gruppenprophylaxe und Untersuchung sowie eine einheitliche Arbeitsrichtlinie, die es jetzt in Niedersachsen gibt. In Bayern, einem Bundesland mit unterrepräsentierten Zahnärztlichen Diensten, wurde die Mundgesundheit bei Vorschulkindern mittels Befragung im Rahmen der Gesundheits-Monitoring-Einheiten beleuchtet, berichtete Lüders.

Während deutlich wird, dass bei Menschen mit Behinderung die Grundschüler mehr Karies haben, im Jugendalter dies nur bei geistiger Behinderung festgestellt wurde, gibt es für erwachsene Menschen mit Behinderung nur wenige Untersuchungsdaten, sagte Schmidt. Er rief deshalb die Zahnärztlichen Dienste auf, auch Werkstätten und Wohnheime in das Programm aufzunehmen und mit den Hochschulen zusammenzuarbeiten.

Auch Referenten außerhalb des ÖGD boten wieder interessante Themen für die tägliche Arbeit. Mit eindrucksvollen Bildern über Resorptionen an oberen Schneidezahnwurzeln durch verlagerte Eckzähne wies Kunz auf die Problematik hin. Persistierende Milcheckzähne und die Wanderung von Nachbarzähnen bei 11-Jährigen können zur zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung in den Schulen ein Achtungszeichen für die Verlagerung der bleibenden Eckzähne sein. Die spontane Einstellung kann jedoch mit der Extraktion der Milcheckzähne möglich sein. Wagner rief bei ihrem Vortrag „Update Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH)“ dazu auf, die Kinder mit schwer geschädigten Molaren im 8. Lebensjahr zum Kieferorthopäden zu verweisen, da dies bei Extraktion den optimalen Zeitpunkt für einen reibungslosen Lückenschluss darstellt. Neue Erkenntnisse zur Ursache konnte sie leider nicht vorstellen, Mittelohrentzündungen und frühkindliche Akutzustände haben derzeit die höchste Evidenz in der Literatur.

Silberdiaminfluorid wurde verstärkt während der Pandemie und bei unkooperativen Kindern zur Arretierung der Karies verwendet, berichtete Amend. Von einer Verwendung zum Kariesmanagement im Öffentlichen Gesundheitsdienst riet sie aufgrund der notwendigen eingehenden Beratung zu Nebenwirkungen und den Kontraindikationen ab.

Wie emotional das Thema Stillkaries beladen ist, stellte Hirsch in bewährt unterhaltsamer Weise dar. Der hohe Gehalt an Kohlenhydraten (7 % - Kuhmilch enthält 4 -5%) kann bei einer langen Stilldauer Ursache für Karies sein, wenn der Zahnbelag nicht entfernt wird.

Am Freitagnachmittag lag der Schwerpunkt auf dem Thema Kinderschutz. Nachdem Kollek ein Scoping Review zu Ansätzen der Identifikation und Prävention von Kindeswohlgefährdung präsentierte, berichteten Gottstein und Petrakakis über die Gründung der Arbeitsgruppe Kinderschutz (AGK) des BZÖG und das entstandene Grundlagenpapier. Brix stellte eine Bestandsanalyse acht Jahre nach Einführung eines Präventions- und Früherkennungsprogramms für Dental Neglect vor. Die lebhafte Diskussion zu diesem Thema zeigte, wie aktuell und notwendig die Gründung der AGK ist, bei der interessierte auch weiter willkommen sind.

Am Samstagmorgen erzählte Andreeva, wie spannend es ist, in Archiven alte Unterlagen zu sichten. Die Geschichte des Gesundheitsamtes Sondershausen in Thüringen von 1933 – 1945 soll jetzt aufbereitet werden. Zum Kongressabschluss stellte Möller-Scheib die drei professionell hergestellten Lehrfilme der Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit Baden-Württemberg e. V. vor und warb für die Nachnutzung.

Pünktlich zum Kongressende waren die Regenwolken über Hamburg verschwunden und die Laufrunde für den Hamburg-Marathon abgesteckt. Mit neuen Erkenntnissen aus Vorträgen und dem Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen traten alle die Heimreise an.

Wir freuen uns sehr auf einen interessanten, kollegialen Austausch vom 03.-05.04.2025 in Erlangen.

 

Im internen Bereich ist das Protokoll der Delegiertenversammlung des BZÖG und der Redebeitrag von Dr. Ilka Gottstein zur Kongresseröffnung veröffentlicht.

 

Kinder- und Jugendzahnpflege in Hamburg K. van de Flierdt
Update Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) Y. Wagner
Retinierte und verlagerte Eckzähne - was ist wann, wie und warum sinnvoll? F. Kunz
30 Jahre gemeinsam für gesunde Kinderzähne - Ein "Datenschatz" des Landes Brandenburg Hinkelmann/ Gundermann
Oralepidemiologische Untersuchungen zur Mundgesundheit von Menschen mit Behinderung in Kooperation mit dem ÖGD - Bisheriges und Zukünftiges P. Schmidt
Daten der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe in Niedersachsen. Überblick - Rückblick und Ausblick J. Kluba
Stillkaries - ein Thema für die Prävention? C. Hirsch
Eignet sich Silberdiaminfluorid zum Kariesmanagement im Öffentlichen Gesundheitswesen? S. Amend
Karieslast bei Kleinkindern nach Corona U. Schiffner
Auswirkung auf die Mundgesundheit durch pandemiebedingte Einschränkungen in der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, basierend auf Reihenuntersuchungen in Frankfurter Kindergärten und Schulen A. Füllkrug
Dentale Vernachlässigung bei Kindern und Jugendlichen: Scoping Review zu Ansätzen der Identifikation und Prävention von Kindeswohlgefährdung J. Seidler
Dental Neglect und die Arbeitsgruppe Kinderschutz der Zahnärztlichen Gesundheitsdienste I. Gottstein/ P. Petrakakis
Kinderschutz im Zahnärztlichen Gesundheitsdienst - eine Bestandsanalyse acht Jahre nach Einführung eines Präventions - und Früherkennungsprogramms U. Brix
Postervorstellung: Entwicklung des Zahnstatus von Kita-Kindern im Main-Kinzig-Kreis vor und nach der SARS-CoV-2-Pandemie G. Adolphi
Geschichte der Gesundheitsämter von 1933-1945 am Beispiel des Kreises Sondershausen in Thüringen J. Andreeva
Mundgesundheit bei bayrischen Vorschulkindern - Befragung im Rahmen der Gesundheits-Monitoring-Einheiten im Jahr 2018/2019 A. Lüders
GBE zur zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe in Niedersachsen - Ein Rückblick für den Fortschritt N. Jahn
Mundgesundheit für Kinder ist Teamarbeit C. Möller-Scheib

 

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